Die Konzeption

1. Sozialpsychiatrische Assistenz Fritzlar (kurz: SPA Fritzlar)

Die Sozialpsychiatrische Assistenz Fritzlar stellt Dienstleistungen zur Betreuung, Begleitung und Assistenz von Menschen mit psychischen Erkrankungen bereit.  

Dienstleistungsnehmer sind in der Regel die BetroffenInnen selbst, z.B. im Rahmen des persönlichen Budgets. Das Angebot richtet sich an Menschen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung Hilfen benötigen bei der Erfüllung ihrer altersspezifischen Lebensaufgaben und/oder der Realisierung ihrer persönlichen Interessen z.B. im Bereich Wohnen oder Strukturierung des Tages.

Im Netzwerk mit anderen sozialpsychiatrischen Diensten – stationär, teilstationär oder ambulant – nimmt die SPA eine wichtige Aufgabe in der Integration/Inklusion von Menschen mit psychischer Erkrankung im Rahmen der gemeindenahen psychiatrischen Versorgung wahr.

2. Lage & bauliche Gegebenheiten

In der Regel erhalten die Menschen ihre Hilfen direkt an ihrem Wohnort, in ihrer Wohnung. Für Menschen, denen kein eigener Wohnraum zu Verfügung steht, kann die SPA Wohnraum anmieten und an die Betroffenen untervermieten.

Die Hilfen zur Strukturierung des Tages können auch in der Gruppe gewährt werden. Zu diesem Zweck hat das Unternehmen zurzeit ein Haus in Fritzlar in der Fraumünsterstr. 66 angemietet. Hier ist ein Wohnplatz eingerichtet.

Drei Räume des Hauses werden für Bürotätigkeiten und zur Beratung genutzt.

In einem Laden (Das Atelier) in der Fritzlarer Innenstadt (Am Hochzeitshaus 19) haben wir einen Arbeitsraum zur Tagesstrukturierung und für kreative Tätigkeiten eingerichtet. Hier können die KlientInnen auch Frühstücken, Kochen, Mittagessen und Wäsche waschen.

Der Stadt-Garten ist eine kleine Oase am Rande der Altstadt. Er steht den KlientInnen für Arbeit und Gestaltung mit Boden und Pflanzen sowie für Freizeitaktivitäten zur Verfügung.

Zur Bewegung, besseren Krankheitsbewältigung, zur Prävention von akuten Krisen und zum Abbau von Stresssymptomen haben wir den Beweg-Uns-Raum eingerichtet.

 

3. Gesetzliche Grundlagen

  • SGB IX  (Rehabilitation & Teilhabe behinderter Menschen)
  • § 29 - Persönliches Budget
  • "Auf Antrag der Leistungsberechtigten werden Leistungen zur Teilhabe durch die Leistungsform eines Persönlichen Budgets ausgeführt, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. (...)"
  • SGB XII (Sozialhilfe)
  • SGB XI  (Soziale Pflegeversicherung)
  • SGB V   (Gesetzliche Krankenversicherung)

4. Leitgedanken

  • Mit den Schwächsten beginnen
  • Jeder Mensch will wichtig sein
  • Jeder Mensch braucht ein Zuhause
  • Vom Rand in die Mitte
  • Partnerschaftliches Miteinander auf Augenhöhe

5. Fachliche Grundlagen

Psychische Erkrankungen, sofern sie nicht eindeutig körperlich begründet sind, lassen sich in der Regel nicht auf eine einzige Ursache zurückführen. An der Entstehung sind vielmehr körperliche, seelische, geistige, sowie soziale Faktoren beteiligt, auch in gegenseitiger Wechselwirkung. Ein plausibles Modell der Krankheits-Entstehung, das all diese Faktoren berücksichtigt, stellt das Vulnerabilitäts-Stress-Modell dar: Biologische und psychosoziale Faktoren führen zur Herausbildung einer verletzlichen Persönlichkeit – unter erhöhtem Stress kann es dann zum Ausbruch einer psychischen Erkrankung kommen.

Wir fragen einerseits nach den verschiedenen Ursachen der Erkrankung, aber auch nach ihrem möglichen Sinn und Zweck. Letzteres gewinnt gerade bei schon länger andauernden Krankheitsverläufen an Bedeutung. Wir betrachten das Krankheitsgeschehen aus den verschiedensten Blickwinkeln, insbesondere auch im Hinblick auf seine Wirkungen in der unmittelbaren sozialen Umgebung. So eröffnen sich im Einzelfall  Interventionsmöglichkeiten auf allen Ebenen – körperlich, seelisch, geistig, sozial -, um psychische Stabilität herbeizuführen und zu stützen. Dies betrachten wir als einen wesentlichen Beitrag zur Wiedereingliederung (Rehabilitation).

In seinem grundlegenden Werk „Affektlogik“ schreibt der Schweizer Sozialpsychiater Luc Ciompi, dass sich Alles, das sich auf die psychische Entwicklung und Reifung des Menschen im Allgemeinen positiv auswirkt, auch seine positiven Auswirkungen auf Menschen mit psychischer Erkrankung hat: „Ruhe und Gelassenheit, Einfachheit und Eindeutigkeit, Verlässlichkeit und Kontinuität, Vertrauen, Toleranz, Gradheit, Authentizität, all dies in erster Linie gerichtet auf eine klare Abgrenzung zwischen mir und dem andern, zwischen meinen Gefühlen und seinen Gefühlen, Gedanken, Wünschen, Strebungen …“   (S. 364). Damit sind die wesentlichen Leitbegriffe zur Beziehungsgestaltung im sozialpsychiatrischen Arbeitsfeld genannt.

Es geht um Entwicklung von Selbstbefähigung und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, um Stärkung der Identität und des Selbst-Bewussteins. Dies geht nicht durch Unterwerfung unter ein institutionalisiertes Regelwerk, sondern durch Erarbeitung von Hilfen, die jeweils auf und mit den Betroffenen abgestimmt sind. Dennoch: Förderung von Selbstständigkeit einerseits und Einhaltung von Regeln andererseits sind bedeutsame Ziele, die ein Spannungsfeld eröffnen, das täglich neu gestaltet werden muss.

In der Beziehungsgestaltung setzen wir auf Kontinuität und der Verlässlichkeit,  die langfristige Beziehungsentwicklung ist ein Übungs- und Experimentierfeld für gegenseitigen respektvollen Umgang. Dabei haben wir immer das Ziel im Blick: Auf eigenen Füssen stehen – das ist Selbstständigkeit. Bei alldem sind wir geduldig und akzeptieren die vielfältigen Eigenheiten eines jeden Einzelnen.

Darüber hinaus gilt: Menschen mit einer psychischen Erkrankung sind „Menschen wie Du und Ich“,  mit denselben Grundbedürfnissen nach körperlicher Unversehrtheit und persönlicher Anerkennung, Essen und Trinken, Liebe und Sexualität, Arbeit und Kultur. All diese Bedürfnisse wollen gelebt werden und brauchen entsprechenden Raum.

Die täglichen Mahlzeiten sind in mehrfacher Hinsicht ein Dreh- und Angelpunkt im Betreuungskonzept: In die Herrichtung der Mahlzeiten ist jeder einbezogen, dies ist eine grundlegende Realitätsbewältigung. Jede Selbstständigkeit beginnt mit der Besorgung der Nahrung. Gleichzeitig ist das gemeinsame Essen auch ein sozialer Raum mit wichtigen Facetten: Dazugehören, Mitreden, Anerkennung-Finden – all das ist bei einer einfachen Mahlzeit möglich.

Liebe und Sexualität gehören für viele zu einem erfüllten Leben. Wir wissen um die heilende und die zerstörerische Kraft von Beidem. Zur Liebe und Sexualität gehört auch Intimität. Die eigene Wohnung, das eigene Zimmer – sie gehören zur Intimsphäre jedes einzelnen, die von uns geachtet wird. Wir fördern die sozialen Beziehungen der Klientinnen und Klienten, solange sie nicht zerstörend wirken. Gerade Frauen mit einer psychischen Erkrankung werden oft Opfer von sexuell ausbeuterischem Verhalten, zum Schutz der Frauen greifen wir hier ein.

Sozialpsychiatrie heißt aber auch: Psychiatrie nicht hinter Krankenhaus-Mauern, sondern mitten in der Gemeinde mit ihren vielfältigen Netzwerken. Wir legen von daher Wert auf eine gute Gestaltung der Beziehungen in die Gemeinde Fritzlar, besonders zu Nachbarn, den örtlichen Handels- und Handwerksbetrieben, den Kirchengemeinden und Vereinen. Das ist tägliche Gemeinwesenarbeit. Darüber hinaus nutzen wir aber auch unsere jährlichen Veranstaltungen, die Zugehörigkeit zur Gemeinde zu festigen.

6. Das sozialpsychiatrische Betreuungsangebot

Kern der Hilfemaßnahmen ist die Gestaltung einer Beziehung zwischen MitarbeiterIn und KlientInnen, die geprägt ist von gegenseitigem Vertrauen und Respekt, vom Zulassen der Andersartigkeit, von gegenseitigem Ernst-Nehmen und vom richtigen Verhältnis zwischen annehmender Nähe und strukturierender Distanz. Diese Beziehung gestaltet sich zuallererst im täglichen Zusammen-Sein, daneben in der Begleitung, Unterstützung, Hilfestellung und der Versorgung.

Die Beziehungen der KlientInnen zu ihren Angehörigen gehören zum wichtigen Umfeld unserer Arbeit. Wir beziehen deshalb die Angehörigen systematisch in unsere Arbeit ein.

Viele der KlientInnen haben eine gesetzliche Betreuung. Diese gehören damit zum Netzwerk der Betreuten und wir sind entsprechend an einer kooperativen Beziehung zu den gesetzlichen BetreuerInnen interessiert.

Wir legen Wert auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung. Dazu nutzen wir die Beratung durch Fachkräfte.

Wir arbeiten in einem multiprofessionellen Team. Die spezifischen Sichtweisen der verschiedenen Berufsgruppen sind wertvolle Beiträge im Rehabilitationsprozess.

Die Dokumentation der Betreuungstätigkeit ist uns wichtig. Sie ermöglicht Transparenz der Tätigkeit in ihren Inhalten bis zur Rechnungserstellung.

6.1 Das sozialpsychiatrische Betreuungsangebot im Bereich Wohnen

 

Wir sehen es als unsere Aufgabe, die Fähigkeiten und Fertigkeiten der KlientInnen zu erhalten, zu festigen oder zu entwickeln, und sie damit in die Lage zu versetzen, ein weitgehend selbständiges Leben zu führen. Im Gespräch mit dem Betroffenen wird ein individueller Hilfeplan ausgehandelt, der sich auf die folgenden Bereiche bezieht: alltägliche Lebensführung,  Gestaltung sozialer Beziehungen, Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben, Kommunikation und Orientierung, emotionale und psychische Entwicklung, und Gesundheitsförderung und –erhaltung.

 

Wir nutzen das Leben in der Gemeinschaft: Hier werden wichtige Erfahrungen im Umgang mit psychischer Behinderung ausgetauscht und Modelle zur Bewältigung von schwierigen Situationen gegeben. Konfliktfähigkeit, Toleranz, gegenseitige Achtung, Solidarität, aber auch Abgrenzung und Schutz der Individualität können erfahren und trainiert werden.

Denjenigen, die in einer eigenen Wohnung leben, bieten wir die Betreuung, die sie benötigen, um in diesem Rahmen ein möglichst eigenständiges Leben führen zu können.

Zum körperlichen Training wird wöchentlich eine Bewegungs-Gruppe angeboten.

Wir bieten Unterricht in grundlegenden Schulfächern wie Deutsch, Mathematik, Englisch an.

Es werden Gruppen- und Einzelgespräche angeboten.

Die medizinisch-psychiatrische Grundversorgung wird durch die niedergelassenen Fachärzte für Psychiatrie und die Ambulanzen der Psychiatrischen Kliniken wahrgenommen. Die hausärztliche Versorgung erfolgt durch die in Fritzlar ansässigen Hausarzt-Praxen. Es besteht freie Arztwahl.

6.2 Das sozialpsychiatrische Betreuungsangebot im Bereich Tagesstruktur

 

Für diejenigen, die nicht oder noch nicht in der Lage sind, einer tagesstrukturierenden Tätigkeit in einer WfbM oder auf dem ersten Arbeitsmarkt nachzugehen, werden tagesstrukturierende Maßnahmen im Atelier, im Garten oder in einer Holzwerkstatt angeboten. Dazu gehören: Zubereiten von Mahlzeiten, Wäschepflege, Reinigung, Gartengestaltung, Pflege der Haustiere, Kreatives Gestalten.

 

Die Gruppenangebote laufen von 8.30 Uhr bis 14.00 Uhr, nach einer Ruhezeit gibt es dann noch Einzelangebote bis um 16.00 Uhr (z.B. Skills-Gruppe).

6.3 Das sozialpsychiatrische Betreuungsangebot im Bereich Freizeit & Haushaltshilfe

 

Es gibt Menschen, die für Tätigkeiten im Bereich Freizeit und Haushaltshilfe lediglich eine Begleitperson benötigen. Für diese Gruppe bieten wir die entsprechende Begleitung an.

6.4 Rufbereitschaft

Für KlientInnen, die aufgrund häufiger oder schwerwiegender Krisensituationen eine ständig erreichbare Begleitperson benötigen, kann eine Rund-Um-Die-Uhr-Rufbereitschaft eingerichtet werden.

7. An wen richtet sich das Angebot im Einzelnen?

Das Angebot richtet sich an Menschen, die im Sinne der Medizin als psychisch krank, im Sinne des Sozialrechts als seelisch wesentlich behindert gelten. Es sind Menschen, die vorübergehend, für längere Zeit oder auf Dauer nicht zur vollständig-selbstständigen Lebensführung in der Lage sind.

8. Personal

Der Personalstand wird den zu leistenden Hilfen regelmäßig angepasst.

Zurzeit sind tätig:

  • Krankenschwester mit sozialpsychiatrischer Zusatzausbildung
  • Psychologischer Psychotherapeut (Diplom)
  • Sozialarbeiter (B.A.)
  • Sozialpädagogin (Diplom)
  • Erzieherin
  • Bürokraft
  • Reinigungskraft
  • Handwerker / Hausmeister

(Stand: 7/2023)

9. Qualitätsmanagement

 

Zur Sicherstellung der Qualität der Betreuungsleistungen der Einrichtung ist ein Qualitätsmanagementsystem mit Elementen aus der DIN ISO 9000 ff. eingeführt. Es wird durch den Qualitätsmanagementbeauftragten aufrechterhalten, auf seine Wirksamkeit hin geprüft und weiter entwickelt.

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Sozialpsychiatrische Assistenz Fritzlar (SPA) - 2023